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Wintersalon

Wie funktioniert Gesellschaft im Krisenmodus?

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Prof. Dr. Stephan Lessenich war digital beim Wintersalon am Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften dabei.

Volles Haus beim sozial-philosophischen Wintersalon mit Prof. Dr. Stephan Lessenich. Obwohl Prof. Lessenich nur digital zugeschaltet war, hat die hybride Veranstaltung mit dem Direktor des Instituts für Sozialforschung und Professor für Gesellschaftstheorie und Sozialforschung an der Frankfurter Universität zu einem lebendigen Austausch geführt. 

Die meisten der fast 40 Teilnehmenden waren live vor Ort im Seminarraum auf dem Campus Emil-Figge-Straße. Lessenichs jüngst erschienenes Buch „Nicht mehr normal. Gesellschaft am Rande des Nervenzusammenbruchs“ trifft am Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften (Öffnet in einem neuen Tab)  auf offene Ohren. Seine Gesellschaftsanalyse eines Klimas öffentlicher Gereiztheit angesichts sich aufeinander aufschichtender Krisen (Finanzkrise, Flüchtlingszuwanderung, Pandemie, Krieg, Energiekrise) wird angehenden Sozialarbeitenden unmittelbar in der Praxis ersichtlich. In einem kurzweiligen Austausch präsentierte Lessenich seine Thesen und Diagnosen.

Prof. Dr. Ute Fischer, Lehrende am Fachbereiche Angewandte Sozialwissenschaften und Mitorganisatorin des sozial-philosophischen Salons, berichtet im Gespräch mit der Online-Redaktion der FH Dortmund vom Wintersalon am 30. November 2022.

Prof. Dr. Ute Fischer

So kann es nicht weitergehen! Dieses Gefühl hat angesichts zahlreicher Krisen gegenwärtig viele Menschen ergriffen. Hat der sozial-philosophische Salon Linderung gebracht, Frau Fischer?

Sofern das Verstehen von Phänomenen diese Linderung bringt, ja. Lessenichs zugespitzte Thesen öffnen die Augen, wenn es darum geht, die aggressive und auch destruktive Diskussion um Aufreger-Themen wie die Corona-Maßnahmen, Flüchtlingszuwanderung, den Klimawandel oder den Krieg gegen die Ukraine zu verstehen. Diese Vielzahl von Krisen, so die Diagnose, bleibt nicht mehr in Distanz zum eigenen Lebensumfeld, sondern wird für alle alltagsweltlich relevant. Es sind auch nicht mehr besonders belastete Teilgruppen, die existenzgefährdet sind, oder – nicht minder beunruhigend – in ihrer Identität, ihrem Lebensentwurf irritiert werden durch zum Beispiel Gender-Stern und Verkehrspolitik. Alle sind betroffen von den Krisenfolgen, alle werden nervös. Linderung bringt auch der Ausblick, der zwar keine Utopie beschreibt oder ein Patentrezept anbietet, aber doch die Möglichkeiten einer Befreiung in einer neuen Form solidarischer Praxis sieht. 

Welche Kernbotschaften nehmen Sie aus dem Vortrag von Prof. Dr. Stephan Lessenich mit?

Die aufgeschichteten und damit sich in ihrer Wirkung verstärkenden Krisen betreffen alle. Da sich Herrschaftsverhältnisse im Handeln des Einzelnen spiegeln, darin wirken, sind sie aber auch veränderbar. Dies ist Lessenichs Grunddialektik des Sozialen, die alle seine Werke durchzieht. Er spricht in seinem Buch von einem Verstrickungszusammenhang, da alle in ihrem Handeln, den Dynamiken des Finanzmarktes, endlichen Ressourcen, der Einwanderung und dem Ende von Gewissheiten etwa einer Geschlechterordnung der vergangenen Jahrhunderte unterworfen beziehungsweise mit ihnen konfrontiert sind. Befreiung aus dieser Verstrickung gelingt nur durch kollektive Anstrengung, durch eine neue Hegemonie, die anstelle der alten Hegemonie neue Sicherheiten setzt.

Den sozial-philosophischen Salon gibt es nun seit 2017. Was zeichnet dieses Format aus?

Der Austausch ist disziplinübergreifend und steht Kolleg*innen aus allen Fachbereichen offen. Vorrangig sind es aber Kolleg*innen aus den Angewandten Sozialwissenschaften, die diese Gelegenheit für Diskussion und exemplarisches Tieftauchen nutzen. Unter den vielen Studierenden überwiegen die angehenden Master-Absolvent*innen. Oft mischen sie sich mit Fragen und Beiträgen ein. Bei diesem hybriden Format und angesichts der hohen Denkgeschwindigkeit des Gesprächs mit einem überaus eloquenten Gast haben sie sich diesmal mehr als sonst zurückgehalten. Doch wie es eine der Masterstudierenden ausdrückte: „Gerade dieses Gefühl, überfordert zu sein vom Niveau im sozial-philosophischen Salon, hat mich angespornt, mich intensiv mit den diskutierten Theorien und Werken der Gäste auseinanderzusetzen.“

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