Zitat
Abstract
Die Gegenstände Deutungsmuster und Habitus sind bisher begrifflich nicht klar unterschieden, geschweige denn theoretisch befriedigend prägnant bestimmt worden. Dies war für uns der Anlass, im Rahmen der Lehrbuchreihe „Objektive Hermeneutik in Wissenschaft und Praxis“, die Loer bei Springer VS herausgibt, einen Band der empirisch gesättigten Begriffsbildung zu widmen. Dabei gingen wir heuristisch von Ausführungen Bourdieus (insbesondere zum Begriff des Habitus) und Oevermanns (insbesondere zum Begriff des Deutungsmusters) aus.
Anhand von vier Fällen untersuchten wir Deutungen der und Haltungen zu den Maßnahmen, die angesichts der Corona-Pandemie ergriffen wurden. Dabei beschränken wir uns auf Gegner der Maßnahmen und versuchen zu rekonstruieren, welche Deutungsmuster den Einlässen dieser Geg-ner zugrunde liegen. Weiterhin interessiert uns die Frage, ob diesen Deutungsmustern ein spezifischer Habitus korrespondiert.
Im Zuge der Fallanalysen, in denen es um die Rekonstruktion von Deutungsmustern und Habitus ging, haben wir nun – am Ende des Forschungsprozesses – für beide Begriffe detaillierte Konzepte herausgearbeitet, die unseres Erachtens die theoretische Bestimmung vorantreiben können. Der von uns entfaltete Begriff des Deutungsmusters trägt unseres Erachtens erstmals dem Musterhaf-ten des Deutungsmusters systematisch und angemessen Rechnung. Dies sei hier kurz skizziert: Unter Berücksichtigung von zunächst heuristisch entwickelten sechs Merkmalen konnten wir in unseren Fallanalysen zeigen, dass Deutungen, die wir in den untersuchten Ausdrucksgestalten der Fälle fanden, sich auf Deutungsregeln zurückführen lassen, und dass Inkonsistenzen zwischen den Deutungen sich aus einem Schlüsselkonzept ableiten lassen, das sich zugleich zu Prinzipien entfalten lässt, die die Inkonsistenzen überblenden und damit für den Fall zum Verschwinden bringen. Das Gesamt dieser hier aufgeführten Begriffe in ihrem Zusammenhang bildet nun den Begriff des Deu-tungsmusters. Verschiedenen konkrete Deutungsmuster gehören dann zum Umfang des Begriffs des Deutungsmusters. Anhand einer exemplarischen Darstellung des von uns rekonstruierten Deu-tungsmuster der libertären Selbstbezogenheit mit dem Schlüsselkonzept der monadischen Auto-nomie soll der Begriff des Deutungsmusters zur Diskussion gestellt werden.
Den – weit weniger komplexen – Begriff des Habitus als generativer Struktur, zu der als Kern eine Maxime gehört, die Handlungsregeln hervorbringt, die ihrerseits die Handlungen generieren, kann in dem Vortrag an einem Fall ebenfalls aufgezeigt werden, um die Frage der wechselseitigen Stabi-lisierung von Deutungsmuster und Habitus zu erörtern.
Schlagwörter
Begriffsentwicklung Deutungsmuster und Habitus
Empirie: Gegner gegen Corona-Maßnahmen
liebertäre Selbstbezogenheit und monadische Autonomie