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IDiAL – Institut für die Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelten

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Interview

Köpfe der Transformation - Sabine Sachweh

Veröffentlicht

Frauen in der Wissenschaft - Programmieren als Leidenschaft

Das Ruhrgebiet hat sich auf den Weg zur grünsten Industrieregion der Welt gemacht. Ob nachhaltig oder smart: Es sind die Menschen, die mit ihrer Forschung die Metropole Ruhr zukunftsfähig und lebenswerter machen. Zwei der Botschafterinnen des Projekts „Die Köpfe der Transformation“ haben wir bereits im letzten Heft vorgestellt – nun sprach Frau Dr. Sachweh mit She works! über Frauen in der Wissenschaft.

Prof. Dr. Sabine Sachweh war zwölf Jahre alt, als sie das Programmieren gelernt hat. Das ist inzwischen 42 Jahre her – mehr als vier Jahrzehnte, in denen sich Technologien und Software-Systeme enorm weiterentwickelt haben. Inzwischen ist sie Professorin für Softwaretechnik im Ruhrgebiet an der Fachhochschule Dortmund. Neben ihrer Tätigkeit in der Lehre leitet sie die Arbeitsgruppe SEELAB und steht zahlreichen Forschungsprojekten vor.

S.Sachweh

Frau Sachweh, Sie sind Professorin für Angewandte Softwaretechnik und Sprecherin des Instituts für die Digitalisierung in Arbeitsund Lebenswelten. Was ist für Sie das Spannende an Ihrem Beruf?

Mein Beruf hat für mich sehr viele spannende Facetten. Kurz gesagt, sind es die verschiedenen Menschen, spannenden Themen und Freiheitsgrade in meinem Arbeitsalltag, von denen ich täglich profitieren darf. Im Rahmen der Lehre lerne ich jedes Jahr neue Studierende kennen, habe die Chance, ihnen das Feld der Softwaretechnik näher zu bringen – und sie dort bei ihren ersten Anwendungen zu begleiten.

Wir arbeiten stets an Projekten, die Lösungen für aktuelle Problemstellungen liefern. Das ist jedes Mal aufs Neue eine sehr spannende und kreative Aufgabe! Daneben ist ein letzter, aber sehr wichtiger Punkt für mich die freie Arbeitsweise. So ist es möglich, zu besonders spannenden Themen Forschungsverbünde zu gründen – oder wirtschaftlich aktiv werden, indem man Forschungsthemen so weit begleitet, bis sie bspw. als Startup auf dem Markt landen.

Wie hat Ihre Karriere in der Wissenschaft begonnen?

Meine Karriere hat mit meiner Diplomarbeit im wissenschaftlichen Zentrum in Heidelberg begonnen. Während meines Studiums habe ich parallel gearbeitet; hier war vor allem das Ziel, potenzielle Arbeitgeber*innen kennenzulernen. Als ich mich dann zum Ende meines Studiums für eine Stelle entscheiden sollte, fiel mir die Entscheidung nicht leicht. Die meisten Unternehmen pflegten damals noch ein sehr breit aufgestelltes Management mit recht starren Strukturen – einfach nicht meine Welt. Mit der Diplomarbeit konnte ich eine ganz andere, viel dynamischere Welt kennenlernen: eine, in der man an aktuellen Herausforderungen arbeitet und der Austausch im Vordergrund steht.

Da ich dann mein Studium mit viel Freude an der Universität in Dortmund im Ruhrgebiet verbrachte, kam es dann auch dazu, dass ich dort begonnen habe, zu promovieren.

Inwiefern spielt das Thema „Transformation“ in Ihrem Arbeitsalltag eine Rolle?

Das Thema „Transformation“ spielt in meinem Arbeitsalltag eine zentrale Rolle. Zum einen liegt der Fokus unseres Instituts auf der digitalen Transformation, also dem Wandel, der sich durch die zunehmende Durchdringung der Arbeitsund Lebenswelt durch digitale Lösungen vollzieht. So hat eigentlich jeder Teil meiner Arbeit mit dem Thema „Transformation“ zu tun.

Man muss sagen, dass gerade die Informatik und zunehmend auch die Lehre einem stetigen und deutlich spürbaren Wandel unterliegt. Die Transformation im digitalen Bereich wird von vielen Einflüssen begleitet, die ihrerseits Transformationen bewirken – wie beispielsweise der gesellschaftliche Wandel oder die zunehmende Relevanz von Nachhaltigkeit. Zwischen all diesen Themen existieren viele Querbezüge, so dass sich hier ein spannendes und herausforderndes Themenfeld ergibt.

Die Digitalisierung in Arbeitsund Lebenswelten nimmt immer weiter zu. Welche aktuellen Entwicklungen können Sie beobachten?

Die derzeit wichtigste Entwicklung ist wohl, dass Technik und Mensch zunehmend zusammen gedacht werden. Das heißt im Umkehrschluss:
Digitale Souveränität ist ein entscheidendes und gesamtgesellschaftliches
Thema. Vom Kindsein bis ins hohe Alter spielt digitale Kompetenz eine entscheidende Rolle. Die Pandemie hat bewiesen: Sie bestimmt unter anderem entscheidend über Bildungschancen, Selbstbestimmtheit und Teilhabe.

So schwierig die Pandemie war, so sehr hat sie sich auch positiv auf den Willen, sich mit Digitalem auseinanderzusetzen und der Schaffung neuer Zugänge fördernd ausgewirkt. Dieser Impuls muss nun genutzt werden, um die Menschen mitzunehmen und zu begeistern.

Welche Überlegungen gibt es, wohin sich die Digitalisierung in den kommenden Jahren entwickeln wird? Und wie sollten sich Unternehmen darauf vorbereiten?

Dienstleister und produzierende Unternehmen werden entlang der Lieferketten, aber vor allem auch in Richtung der Kund*innen durch die Digitalisierung noch näher rücken. Dazu ist es wichtig, Datensilos
aufzubrechen, dabei stets den Datenschutz im Blick zu haben und stark auf datengetriebene Geschäftsmodelle zu setzen. Kurzum: Eine konsequente
Digitalisierung ermöglicht Unternehmen im besten Fall, durch schnelle Reaktionszeiten ihre Resilienz zu erhöhen.

Wichtig ist, dass abhängig vom Anwendungsbereich die Qualität stets geprüft wird. Die Voraussetzungen sind in vielen Bereichen gegeben – doch ebenso wie bei der digitalen Souveränität ist es wichtig, Lösungen nun auch stärker in die Breite zu bringen.

Frauen sind in MINT-Berufen immer noch unterrepräsentiert. Sie haben sich aber für genau diesen Weg entschieden. Welche waren für Sie persönlich die bisher größten Herausforderungen (auch oder besonders als Frau) in Ihrer wissenschaftlichen Laufbahn – und wie haben sie diese gemeistert?


Ich war schon immer naturwissenschaftlich interessiert, und mit Eintritt in die Mittelstufe konnte ich im Rahmen einer Informatik AG erste Einblicke in den IT-Bereich erhalten. Nach vielen Diskussionen, ob es wichtiger sei, kochen oder programmieren zu können, gab es dann die große Überraschung, als ich meinen ersten eigenen Rechner bekam. Das Programmieren wurde zur Leidenschaft – und als Studienrichtungen kam für mich dann nur Informatik in Frage. Der Studiengang war stark männlich dominiert. Und auch, als ich meine ersten Praxiserfahrungen sammelte, habe ich die männliche Dominanz in der Branche zu spüren bekommen. Als ich anfing, bundesweit in Ausbildungszentren zu arbeiten, ist es nicht selten vorgekommen, dass ein Teilnehmer hereinkam, mich gesehen hat, sich entschuldigte und wieder ging. Damals war es für viele noch nicht vorstellbar, dass eine 19-jährige Studentin IT-Kurse unterrichtete.

Die größte Herausforderung in meiner Laufbahn war jedoch eine andere. Nachdem ich inhaltlich meine Forschungsthemen bearbeitet hatte und „nur noch“ alles zusammenschreiben musste, wurde mein erster Sohn geboren. Das war eine anstrengende Zeit und ich erinnere mich, dass ich öfter
darüber nachgedacht habe, das Fertigschreiben der Dissertation zu verschieben. Doch die Worte meines Doktorvaters, der mich gebeten hat, meinem Weg treu zu bleiben und mich nicht allein auf die neue Rolle als Mutter zu konzentrieren, haben mich durch diese Zeit gebracht.

Wie können Ihrer Ansicht nach mehr Frauen für MINT-Berufe begeistert werden?

Aus meiner Sicht ist es unbedingt notwendig, auch im MINT-Bereich von den Interessen der Frauen auszugehen. Wichtig ist, dass Frauen schon als Kinder den gleichen Zugang zu bspw. technischen Baukästen bekommen, wie
Männer. Ich habe beispielsweise gern aus Fischertechnik Dinge gebaut, mit denen ich Personen aus meinem direkten Umfeld eine Freude machen
konnte. Auch die Möglichkeit, niederschwellige Unterstützungsangebote
nutzen zu können, scheinen mir darüber hinaus ebenfalls förderlich zu
sein. Kurzum: Ich würde Frauen sehr früh immer wieder mit MINT-Themen konfrontieren – selbstverständlich bei freier Wahl des Anwendungskontextes und mit guter Unterstützung bei Fragen.

Wie wichtig sind in dem Zusammenhang weibliche Vorbilder und Mentor*innen?

Weibliche Vorbilder sind wichtig, weil sie Karrierewege aufzeigen und demonstrieren, dass Frauen auch in MINT-Berufen glücklich und erfolgreich
sein können. Sie motivieren jedoch lediglich, einen bestimmten Weg einzuschlagen. Auf dem Weg selbst sind Mentor*innen wichtiger, da sie in
herausfordernden Situationen den Mentees mit ihrer Erfahrung und ihrem Netzwerk beratend zur Seite stehen können.

Im Ruhrgebiet ist hinsichtlich der männlichen Dominanz in der Branche ein Umkehrtrend zu beobachten – hier treffe ich auf meinem wissenschaftlichen Weg tatsächlich immer wieder neue Weggefährtinnen, mit denen ich mich vernetze. Besonders motivierend halte ich persönlich jedoch eine Peer Group, in der sich die jungen Leute austauschen, sich pushen, unterstützen und natürlich auch viel sozial miteinander agieren können.

Vielen Dank für das  Gespräch!

Quelle:

SHE works 
Das Wirtschafts- und Karrieremagazin für Frauen