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Gerechte Sprache

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„Wieder typisch die Grünen“, raunte neulich ein Freund von mir, „jetzt wird auch noch der Name der Uni Münster geändert. Schon wieder neue Sprechverbote und Vorschriften.“ Dieser Freund ist eigentlich ein weltoffener Mensch und kein Liebhaber von vorurteilsbeladenen Schnellschüssen. Umso mehr erstaunte mich diese wütende Äußerung. Noch dazu inhaltlich falsch. Denn die Namensänderung der Westfälischen Wilhelms Universität zur schlichten Universität Münster hat eine Gruppe Studierender im Senat angestoßen und nicht die Grünen.

Jahrelange Diskussion


Hintergrund im konkreten Fall der Namensänderung war ein jahrelanger Diskussionsprozess, in dessen Verlauf über Für und Wider, über Vorzüge und negative Eigenschaften des Namensgebers, dem letzten deutschen Kaiser Wilhelm II, nachgedacht wurde. Schließlich stimmte der Senat für die Namensänderung mit der Begründung: Zwar habe Wilhelm die Universität zeitweilig unterstützt und sich mit einer christlich-konservativ begründeten Sozialpolitik hervorgetan. Doch würde seine „militaristische, nationalistischen, antislawische und geradezu obsessiv antisemitische“ Gesinnung diese Leistungen überwiegen. Da der Namensgeber damit keinen Vorbildcharakter im Sinne der Aufklärung habe, sprachen am Ende des Abstimmungsprozesses keine Argumente mehr dagegen, wieder zum Gründungsnamen der Universität aus dem Jahr 1771 zurückzukehren.
Dass dennoch die Grünen als „Verbotspartei“ wahrgenommen werden, liegt u.a. an einer überzogenen, auf Aufmerksamkeit setzenden (Sensations-)Presse. Aber auch an Politikern wie der CSU-Chef Söder oder Freie Wähler Vorsitzender Aiwanger, die sich darin einig sind, die Grünen wollten bevormunden. So werden in Bayern Bündnis 90/Die Grünen zur Zielscheibe populistischer Abgrenzung. Streitpunkte, die über die Landesgrenzen hinaus die Erzählung von der Verbotspartei nähren, sind das Verbrenner-Auto, der Fleischkonsum oder auch das Gendern. 

„Das wird man ja noch sagen dürfen!“


Die wütende Äußerung des Freundes zeugt von der Sorge, die eigene Meinung möglichweise nicht mehr ausdrücken zu können, ohne dafür sozial ausgegrenzt oder aus Veranstaltungen ausgeladen zu werden. Wir kennen solche Sorgen noch in krasserer Form, oft eingeleitet mit der provokanten Formel „das wird man ja noch sagen dürfen“. Tatsächliche Sprechverbote wären in der Tat für eine Demokratie eine gefährliche Entwicklung. Wie steht es um diese Gefahr? Wo liegen die Grenzen des Sagbaren und wie können sie begründet werden? 

Sozialphilosophischer Salon zum Thema „gerechte Sprache“


Der nächste Sozialphilosophische Salon unseres Fachbereichs am 29.11.2023 (Öffnet in einem neuen Tab)  beschäftigt sich mit solchen Fragen mit dem Schwerpunkt auf „gerechte Sprache“. Dabei geht es weniger um wokeness und cancel culture allgemein, sondern um unseren Sprachgebrauch, um das N-Wort, das Gendern, um rassistische und sexistische Äußerungen. Wir diskutieren hier mit dem Autor des Buches „Eine Frage der Moral. Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ Professor Anatol Stefanowitsch, der sich digital dazuschaltet.


Autorin des Blogbeitrages