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Rechtsextremisten als Schöffen?

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Rechtsextremisten als Schöffen?

Dieses Jahr stehen wieder Wahlen für Schöffenämter an vielen deutschen Gerichten an. Eigentlich sind Schöffen eine wirklich gute Idee: Zusätzlich zu den bestellten Richter*innen werden Nicht-Jurist*innen mitten aus dem Leben berufen, um gemeinsam Recht zu sprechen und Urteile zu fällen. Das hat zwei Funktionen: Zum einen soll es das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürgern gegenüber den Gerichten erhöhen. Zum anderen verspricht man sich über das Schöffenamt einen Blick von außen, denn manchmal fallen Recht und Gerechtigkeit doch arg auseinander. Die Schöffen sollen mit ihrer Erfahrung „aus dem Alltag“ und „dem Leben“ beides näher zusammenbringen, indem sie nicht nur auf die Paragrafen gucken. Das Amt ist somit auch real bedeutend: sie sprechen Recht im Namen des deutschen Volkes.

Rechtsextreme Organisationen rufen zur Bewerbung auf

Leider wissen das auch diverse rechtsextreme Organisationen und rufen regelmäßig ihre Mitglieder dazu auf, sich für dieses Amt zu bewerben. Tatsächlich kann sich jeder Erwachsene mit deutscher Staatsbürgerschaft bewerben, von der jeweiligen Kommune vorgeschlagen zu werden. Letztendlich entscheidet ein Gerichtsausschuss, wer es wird und wer nicht. Da in vielen Kommunen nicht genügend Bewerbungen vorliegen, ist die Tür recht weit offen für alle, die sich selbst dafür ins Gespräch bringen. Formal dürfen bei den Bewerber*innen keine eigenen Strafverfahren laufen. Vorgesehen ist auch ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und damit zu den Kernelementen des demokratischen Rechtsstaates.

Was bedeutet das für die rechtsextremen Aufrufe, sich zu bewerben? Aus dem Rennen sind alle mit eigener offenen Strafakte. Bekannte Gesichter dürften vor Ort auch keine Chance haben, von ihrer Kommune vorgeschlagen zu werden. Weniger prominente Mitglieder können aber bei der Auswahl durchrutschen und sind, einmal berufen, gar nicht so leicht wieder loszuwerden.

Gesetzesinitiative geplant

Justizminister Buschmann plant vor diesem Hintergrund jetzt eine Gesetzesinitiative zur Regelung des Schöffenamtes. Das Bekenntnis zum Grundgesetz soll jetzt Pflicht werden und Mitglieder verfassungswidriger Parteien oder andere bekannte Extremist*innen keinen Zugang mehr zu diesen Ämtern bekommen bzw. unmittelbar vom Schöffenamt abgezogen werden können, wenn es berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue gibt. Eigentlich gilt das dank eines Urteilspruchs des Bundesverfassungsgerichts auch heute schon. Der Gesetzentwurf stellt es aber noch mal klarer dar.  

Dazu stellen sich nun mehrere Fragen: Warum prüfen staatliche Stellen nicht automatisch alle Bewerbungen z. B. durch eine Regelanfrage beim Staats- und Verfassungsschutz? Bei ca. 40.000 Posten wäre dies einerseits ein enormer bürokratischer Aufwand. Andererseits wäre es auch ein schlechtes Zeichen. Das Schöffenamt soll das Vertrauen der Bürger*innen gegenüber dem Rechtsstaat stärken. Ein Vertrauensaufbau gelingt aber nur, wenn beide Seiten entsprechende Schritte gehen. Eine Regelanfrage aller Bewerbungen hieße, der Rechtsstaat misstraut zunächst den Engagierten, stellt sie unter Extremismusverdacht, anstatt ihnen die Hand zur Zusammenarbeit zu reichen. Das dürfte kein guter Start in eine Zusammenarbeit sein. Hinzu kommt: Schöffen arbeiten ehrenamtlich. Engagierte sollten dabei nicht unnötig abgeschreckt werden und in der weit überwiegenden Mehrzahl aller Schöffen gibt es dazu auch keine Veranlassung. Bisher sind mit rechtsextremen Hintergrund erst sehr wenige Fälle bekannt geworden.

Vertrauensvorschuss als Vorschlag

Mir scheint daher die andere Reihenfolge an sich sinnvoller zu sein. Es gibt einen Vertrauensvorschuss gegenüber der Kompetenz und Sensibilität der Kommunen in Bezug auf ihre Vorschläge. Rutscht dabei doch ein Rechtsextremist durch, müssen entsprechende Hinweise darauf sofort geprüft werden. Bestätigt sich der Verdacht wird diese Person ihres Amtes enthoben.

Wie kann aber dann verhindert werden, dass die Aufrufe der rechtsextremen Seite erfolgreich sind? Die Antwort darauf ist etwas unbequem und doch immer gleich. Neben einer klaren Gesetzeslage und einer Sensibilität bei den Vorschlägen der Kommunen braucht es engagierte Demokrat*innen, die sich einbringen, bewerben und vorgeschlagen werden. Der demokratische Rechtsstaat braucht auch an dieser Stelle bürgergesellschaftliches Engagement. Nur Autokratien können darauf verzichten, haben sogar Angst davor und unterdrücken es. Funktionierende Demokratien und Rechtsstaaten sind darauf angewiesen und entwickeln daraus ihre besondere Stärke und Anbindung an die Bevölkerung.


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  • Fachhochschule Dortmund | Florian Freimuth