Nach der Finanzkrise 2008 sollte es besser werden. Um Verbraucher*innen verlässlich in ihrem Sinne über Finanzprodukte und Versicherungen aufzuklären, lautete das Credo: unabhängig beraten statt provisionsabhängig vermitteln. Doch trotz zahlreicher Gesetzesänderungen hält sich der Erfolg in Grenzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der beiden Versicherungsexperten Prof. Dr. Matthias Beenken von der Fachhochschule Dortmund und Prof. Dr. Heinrich Schradin (Universität Köln): Beim Geschäft mit Nettopolicen herrscht Stillstand. Hilft nur ein Provisionsverbot?
„Über drei Legislaturperioden hinweg sind vom Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für die Honorarberatung verbessert worden, damit sie sich als Alternative zur Provisionsvermittlung etablieren kann“, erklärt Wirtschaftsprofessor Dr. Matthias Beenken (Öffnet in einem neuen Tab) . Gemeinsam mit seinem Doktorvater Heinrich Schradin hat er 2021 in der inzwischen dritten Folgestudie den Markt analysiert. Das Ergebnis: Inzwischen bieten Versicherer, die fast die Hälfte des Marktes repräsentieren, Nettotarife an, bei denen entweder keine Provision anfällt oder die Provision an Verbraucher*innen durchgereicht wird. Verbraucher*innen bezahlen dabei die Versicherungsberater*in für die Leistung (Honorarberatung). „Anders als in früheren Untersuchungen sind nun auch große, marktanteilsstarke Player dabei“, betont Beenken. Dennoch ist der Anteil der Neuabschlüsse ohne Provision verschwindend gering.
Bei den Lebensversicherungen machen Nettotarife gerade mal 0,6 Prozent des gesamten Neugeschäfts aus, bei Krankenversicherungen sind es nur knapp 0,2 Prozent. Entsprechend gering ist auch der Anteil der Berater*innen, die sich auf dieses Geschäft spezialisiert haben. Bei den Industrie- und Handelskammern sind aktuell 326 Versicherungsberater*innen registriert. Ihnen stehen fast 200.000 Versicherungsvermittler gegenüber. Der Anteil der Berater*innen hat sich in den vergangenen Jahren nur marginal erhöht. Hinzu kommen noch einige Versicherungsmakler, die wahlweise gegen Provision oder gegen Honorar tätig werden.
Provisionsverbot sieht Prof. Beenken skeptisch
Wollen Kunden also lieber eine provisionsabhängige Vermittlung, statt selbst für die Beratung zu zahlen? So weit will Prof. Dr. Matthias Beenken nicht gehen. „Die Studie stellt zunächst nur den Istzustand dar“, sagt er. Ob die geringe Zahl an neuen Versicherungen zu Nettotarifen an der fehlenden Nachfrage seitens der Kunden oder auf fehlendes Interesse der Vermittler zurückzuführen ist, müsse weiter untersucht werden. Die erhobenen Daten aufseiten der Versicherer sprechen für ersteres, sagt Prof. Beenken.
Verbraucherschützer*innen fordern daher immer wieder ein Provisionsverbot, um doch noch die Kurve von der Vermittlung zur Beratung zu kriegen. Prof. Beenken steht dem skeptisch gegenüber. „Aus Sicht von uns Ökonomen ist es wenig erfolgversprechend, den Kunden etwas aufzuzwingen“, sagt er. Zudem bestünde die Gefahr, dass eigentlich sinnvolle Existenzsicherung und Vorsorge ausblieben, weil Beratungsangebote aus Scheu vor Honoraren nicht in Anspruch genommen würden.