Keine Medaillen - So ein Glück
Es soll nicht zynisch klingen. Natürlich sei den Sportler*innen ihr Erfolg gegönnt, gerade bei großen Wettkämpfen wie jüngst den Weltmeisterschaften der Leichtathletik. Aber als am Sonntagabend Speerwerfer Julian Weber als letzte Medaillenhoffnung des deutschen Leichtathletikverbandes bei der Weltmeisterschaft in Budapest antrat, drückte ich kurz die Daumen, er möge leer ausgehen. Nicht, weil er ein schlechter Werfer wäre, sondern weil die gesamte Mannschaft des DLV bis zum letzten Tag nicht über Platz vier hinausgekommen war. Damit war endlich die Chance gekommen, einmal grundsätzlich über die Ausrichtung der Sportförderung nachzudenken. Dass diese Debatte nötig ist, war nun auch dem letzten Sportbegeisterten klar geworden. Dass sie längst überfällig ist, sagen Sportler*innen, Trainer*innen und Sportwissenschaftler*innen schon länger.
Was hat Sport mit Politik zu tun?
Eine Menge. Schon der Blick auf den Medaillenspiegel führt klar vor Augen, dass die Rahmenbedingungen für die Sportler*innen entscheidend sind für ihre Entwicklung und die Erfolge. Oder welchen Grund könnte es haben, dass aus einem kleinen Land wie Norwegen mit seinen derzeit 5,4 Mio. Einwohner*innen zwei Goldmedaillen hervorgehen und sie mit ihren insgesamt 4 Medaillen auf Platz 9 der Gesamtwertung landen? Deutschland gehört nicht zu den insgesamt 46 Ländern, die mit mindestens einer Medaille im Spiegel auftauchen, wie auch Nigeria und Haiti nicht, aber auch nicht Dänemark und die Türkei. Der in Medaillen messbare Erfolg ist also nicht eine Frage, wie groß oder wie wohlhabend ein Land ist.
Eher spielt die Sportförderung und ihr Etat hier eine entscheidende Rolle, und zwar nicht nur für den Spitzensport, sondern auch für den Breitensport, den Schulsport und die Geräte auf Spielplätzen. Sie alle tragen dazu bei, dass in der Weltspitze überhaupt Sportler*innen ankommen. Ganz konkret zeigt der Vergleich mit erfolgreichen Ländern aber Möglichkeiten auf, die Bedingungen der Sportler*innen zu gestalten und zu verbessern: So erhalten Sportler*innen in den Leistungszentren der Niederlande monatlich ein Grundgehalt von bis zu 5.000 €, damit sie sich ganz ihrem Training widmen können. Deutschlands kleiner Nachbar hat immerhin Platz 8 in der Gesamtwertung mit 5 Medaillen erreicht.
Demgegenüber erhalten die Athlet*innen in Deutschland monatlich 600 € Sportförderung und gehen meist nebenher anderen Berufen nach. Viele sind bei der Bundeswehr, der Bundespolizei oder dem Zoll beschäftigt, wo sie relativ gute Freiräume zum Training erhalten. Immerhin. Dennoch stören die anfallenden Dienste das Trainingsprogramm, beklagen Athlet*innen.
Nicht nur Spitzenleistung zählt
Die Niederlande sind ein gutes Beispiel dafür, wie die Förderung des Sports insgesamt als politisches Konzept verstanden wird, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Integration aller zu fördern. Investitionen in Vereine, Sportstätten und vor allem in lokale Kooperationspartner und das Ehrenamt, seien Mittel, um neue Gruppen am Sport zu beteiligen und gesetzte Ziele in anderen Politikfeldern wie Sozialhilfe und der öffentlichen Gesundheit zu erreichen, gibt sich die niederländische Regierung laut einer Studie schon 2013 überzeugt.
Nicht die Sportler*innen sind, sondern die Politik ist zu kritisieren
Die deutschen Sportler*innen sind nicht zu tadeln, denn sie haben bei der WM ihr Bestes gegeben, einige Top 8 Platzierungen, einige Bestleistungen sind erreicht worden und zwei deutsche Rekorde sind gefallen, manche Medaillenanwärter*in fehlte verletzt. Aber: Wenn man etwas lernen will von unseren Nachbarn, dann fällt es schwer einen Sinn darin zu sehen, dass im kommenden Bundeshaushalt der Sportetat um knapp 10% sinken wird.